Friedrich 1901

Friedrich Guttstadt ( 14.02.1881 - 08.01.1939)

(Zeit bis zum Weltkrieg)



Die Familie Guttstadt (Prof. Dr. Albert Guttstadt, Clara Guttstadt, geb. Guhrauer, und die Söhne Richard und Friedrich Guttstadt) wohnte erst in der Alten Jacobstr. 128, dann in der Ritterstr. und 1887-89 in der Alexandrinenstr. 118, alles nahe dem ehemaligen Kammergericht, Teil des heutigen jüdischen Museums. Die damaligen Gebäude der Luisenstadt sind großflächig zerstört. Die Gemeindeschule befand sich möglicherweise in der Alexandrinenstr. 5, heute Baudenkmal. Ab 1890 bis 1900 wohnten die Guttstadts in der Maaßenstr. 11, parterre, südlich des Nollendorfplatzes. Das Falk-Realgymnasium ehem. Falk-Realgymnasium - Lützowstr. befand sich weiter nördlich in der Lützowstr. nahe dem Magdeburger Platz. Vermutlich zogen dann nur die Eltern in die Genthiner Str. 12, 3. Stock, zerstört und heute ersetzt durch einen "Plattenbau".



Weitere Auskunft gibt der von Friedrich im Januar 1899 handschriftlich verfasste Lebenslauf:
Lebenslauf-Scan
Am 14ten Februar 1881 wurde ich in Berlin als zweiter Sohn des Geheimen Medizinalrates Prof. Dr. Albert Guttstadt geboren. (am Rand: Mutter? ) Den ersten Schulunterricht erhielt ich in der Gemeindeschule, die ich drei Jahre besuchte. (Satz gestrichen: Dort erhielt ich, wie ich glaube, eine tüchtige Grundlage.) Ostern 1890 trat ich in die Sexta des Falkrealgymnasiums ein.
Die Berechtigung zum Einjährig-Freiwilligendienst erwarb ich Ostern 1896 und stehe jetzt vor der Ablegung der Reifeprüfung. Um dem Wunsch meines Vaters zu entsprechen, in der Wahl des Studiums nicht beschränkt zu sein, nahm ich im Juli 1898 Privatunterricht im Griechischen und hoffe, das Nachexamen in den alten Sprachen bald ablegen zu können.

(Satz gestrichen: Für die Schule habe ich immer Interesse gehabt. ) (am Rand: An der Schule habe ich immer Freude gehabt. ) Schon als Kind spielte ich mit Vorliebe "Schule". Als Lehrgegenstände liebte ich Rechnen, Geschichte und Lesen. Lesebücher standen mir reichlich zu Hause und in der Schule zu Gebote, und ich habe diese Gelegenheit in ausgedehntem Maße benutzt. Doch meine Lektüre beschränkte sich in den letzten Jahren nicht nur auf deutsche Sprache allein, auch eine Anzahl von englischen und französischen Büchern habe ich gelesen. Für die Beschäftigung mit Naturwissenschaften fand ich vielfach Anregung. Physikalische und chemische Apperata und Instrumenta, die ich erhielt, gestatteten mir, auf diesen Gebieten auch privatim zu arbeiten.

Aufgrund seiner späteren beruflichen Tätigkeit als Richter hat Friedrich vermutlich Jura in Straßburg studiert, da sein Foto von 1901 (s.o) von einem Fotografen in dieser Stadt angefertigt worden ist. Durch die Denkschrift der ATV (Akademischen Turnverbindung) Cheruscia-Burgund anlässlich ihres 75. Stiftungsfestes 1967 und aus den Nachrichtenblärn des AHVs (Altherrenverbands) wissen wir, dass er Mitglied in der ATV Burgund war. Dort heißt es:
"G u t t s t a d t, Friedrich (Tuan), aktiv in Straßburg 1900-01, war ein sehr geschätzter und verdienstvoller Burgunde. ... "
Über die Zeit des Studiums, sein berufliches Fortkommen und private Ereignisse ist uns bis Mai 1909, dem Sterbemonat seines Vaters, nichts bekannt. Seine Eltern waren 1906 in die Kaiserallee (heute Bundesallee) gezogen, wohnten an der Ecke Kaiseralle-Berliner Str. in Nr.15 und wechselten 1909 in Nr. 200, Ecke Trautenaustr. Von beiden Häusern ist nichts geblieben, am beiden Orten befinden sich jetzt U-Bahn-Eingänge und Flachbauten mit Billiganbietern oder Tankstellen und Würstchenständen. Das ist im 3. Jahrtausend aus dem vornehmen Berliner Westen geworden, Nazi-sei-Dank!
Clara zog 1912 auf die andere Seite der Kaiserallee in die Landhausstraße.
Erst aus dem Jahr 1912 gibt es über die Website der Ellis-Island-Foundation Informationen über die Brüder, da sie beide mit dem Schiff in die USA gefahren sind und die Liste mit Fragen, ohne deren Beantwortung eine Einreise nicht möglich war, noch existiert und einzusehen ist. Wir erfahren, dass sie am 13.4.1912 aus Bremen abgelegt haben und mit der S.S. Bremen am 23.4. New York erreicht haben. Wir erfahren, dass beide männlich und unverheiratet sind. Richard gibt seinen Beruf mit "Architekt" an, wohnhaft in Dittersbach/Schlesien (südwestlich Waldenburg), Friedrich bezeichnet sich als "assistant judge" und wohnt in Oranienburg. Wir können lesen, dass ihre Nationalität deutsch und ihre "Rasse" oder ihr "Volk" ("race or people") ebenfalls deutsch ist. Ein Mitreisender gibt seine Nationalität als Österreicher an und seine Volkszugehörigkeit als deutsch. Wir erfahren weiter, dass beide lesen und schreiben können, nicht polygam und keine Anarchisten, nicht verkrüppelt und 5 Fuß und 8 Zoll groß sind. Ihr Ziel ist Philadelphia (Pa), wo sie als Mitglieder des "International shipping box???" teilnehmen wollen. Vermutlich ist es der "XIIth International Congress of Navigation Philadelphia 1912" vom 23. bis 28.5.1912, dessen Kongressbericht allerdings keinen Hinweis auf "Guttstadt" gibt. Auch über die Dauer des Aufenthaltes ist uns nichts bekannt.
Friedrichs Schiffsreise 1912USA
Immer wieder wurde in unserer Familie erzählt, dass Friedrich und Richard beinahe auf der Titanic gesessen hätten. Vermutlich haben Sie jedoch am 20. April 1912 das Trümmerfeld der gesunkenen Titanic durchquert und hunderte treibender Leichen sehen müssen. Wer konnte damals ahnen, dass dieser Jahrestag dereinst mit ihrem eigenen staatlich beförderten gewaltsamen Tod zusammenhängen würde!


weiter

zurück zur Einstiegsseite