Für den Nachmittag des 26.4.2013 war Gewitter angesagt. Schwarze Wolken zogen drohend auf, aber dennoch kamen in etwa 50 Menschen, die mehr als 75 Jahre nach seinem durch Misshandlung herbeigeführten Tod an der Gedenkzeremonie für Friedrich Guttstadt teilnehmen wollten:
Der in Hamburg wohnende Familienzweig war reich durch den Enkel, eine Enkelin, Urenkel und Ur-Ur-Enkel vertreten, meine Schwester und ich, der Berliner Zweig, ließen schließlich Friedrichs Enkelsohn und 3 von 4 seiner Enkeltöchter anwesend sein. Viele unserer Ehegatten, Kinder und deren Großväter kamen mit oder kamen nicht, mehr oder weniger überraschend.
Die Stolperstein-Initiative, die die praktische Verlegung des Stolpersteins organisiert hatte, war ebenso wie die AG Spurensuche der Gemeinde Schlachtensee mit vielen Mitgliedern gekommen. Hier das Projekt Stolpersteine der Gemeinde und Friedrichs Kurzbiografie in der aktuellen Liste der Berliner Stolpersteine.
Die Altherrenverbände der ATV Cheruscia-Burgund und der
ATV der
Märker hatten Vertreter geschickt, die noch einmal sehr deutlich ihre Betroffenheit darüber ausdrückten, dass in ihren Verbänden erst nach einem Dreiviertel Jahrhundert ernsthafte Recherchen angestellt wurden.
Besonders beschämend sei die Tatsache, dass nach dem Krieg die Witwen der zu Tode gekommenen Alten Herren zu manchen Veranstaltungen eingeladen wurden, aber Margarethe Guttstadt, die ja bis 1975 hier lebte, wurde "vergessen".
Auch über die Anwesenheit von Mitförderern des Fördervereins meiner Gartenarbeitsschule, von Mitsängern aus meinem Marzahner Kammerchor und von etlichen ehemaligen Kolleginnen aus der Kepler-Schule habe ich mich gefreut. Möglicherweise haben auch zahlreiche Nachbarn oder Interessierte von nah oder weit her teilgenommen. Ich war sehr gerührt durch die Geste eines mir unbekannten Teilnehmers, der mir mit freundlichen Worten zwei wertvolle Schachteln Schokolade in die Hände drückte.
In meiner Ansprache schilderte ich hauptsächlich kurz mein eignes Erleben mit dem Tod meines Großvaters und den Weg hin zu meiner und meines Mannes Initiative, diesen Stolperstein verlegen zu lassen. Dann wurde er tatsächlich vor dem früheren Eingang einzementiert. Die Ur-Ur-Enkel halfen.
Ich hatte den Anwesenden angeboten, auch zu sprechen, aber nur die Kirchengemeinde ließ einen vorher verteilten Psalmtext gemeinsam vortragen.
Wir legten für Friedrich eine Rose an die nun vorhandene Gedenkstätte. Während weiterer Gespräche zwischen den Teilnehmern zerstreute sich die Gesellschaft auch, weil die Bewölkung immer drohender wurde und die ersten Tropfen fielen. Nachdem die Familie sich, teils durchnässt, um einen Restauranttisch versammelt und Gedanken ausgetauscht hatte, war das Unwetter vorüber. Meine Cousine ging später noch einmal zum Stolperstein - die Rose war verschwunden ...
Wenn heute von "Juden" während der NS-Zeit die Rede ist, dann meint dieser Begriff alle Personen, die während der Nazizeit so oder noch deutlicher "Rassejude" genannt wurden (gekennzeichnet durch mindestens 3 der jüdischen Glaubensbemeinschaft zugehörigen Großeltern). Man verwendet heute demnach weiter unbedacht das Wort "Jude" in der Bedeutung der NS-Ideologie. Es gibt aber keine Menschenrassen, wie uns die moderne Genetik lehrt, und damit auch keinen Rassejuden.
Richard und Friedrich waren jedoch keine Juden, sondern sie waren schon in der Schulzeit keine Angehörigen irgendeiner Religion. Richard und Friedrich sind vermutlich vor ihrer Heirat in die evangelische Kirche eingetreten.